Ein Beitrag von Dr. Martin Cornils
Montag, 30.06.2014 – Anreise
Die Anreise ist weitestgehend unproblematisch verlaufen: Um 08:30 Uhr konnte ich mit einem fast neuen, geräumigen Mietwagen (Ford Mondeo) in Freiburg aufbrechen. Durch ein paar kleinere Staus wurden Velia SCHALL gegen 10:00 Uhr in Karlsruhe und Martin ENDRIZZI gegen 12:45 Uhr in Pegnitz jeweils mit leichter Verspätung eingesammelt. Die restliche Fahrt bis Legnica (Ankunft gegen 16:30 Uhr) verlief aber reibungslos.
Das vom Veranstalter organisierte Hotel bietet einen dem Anlass angemessenen Standard, die Zimmer sind klein aber sauber, das Abendessen war ausreichend (grundsätzlich werden Frühstück und Abendessen im Hotel, das Mittagessen auf dem Wettkampfplatz eingenommen) – alles bislang im positiven Sinne ein großer Fortschritt zur sehr dürftigen Verpflegung und Unterkunft bei der WUC Archery 2012 in Cordoba.
Die Akkreditierung öffnete mit zwei Stunden Verspätung. Das Team des Organisators war noch nicht ganz eingespielt, ich konnte sie aber schließlich davon überzeugen, dass der adh tatsächlich sämtliche Gebühren bereits im Vorfeld überwiesen hatte und keine Restzahlungen mehr offen sind – wir dürfen jedenfalls starten! Organisatorische Unterlagen wurden nicht verteilt, die wichtigsten Informationen für Athleten und Offizielle werden bislang an einer Art schwarzem Brett in der Hotel-Lobby ausgehängt.
Nach einer kurzen Mannschaftsbesprechung haben wir uns gemeinsam das Fußball-WM-Achtelfinale Deutschland vs. Algerien angesehen. Das Ergebnis hat glücklicher Weise weiter zur ohnehin guten Stimmung im Team beigetragen 🙂
Morgen steht ein freies Training auf dem Programm, wir werden uns die Wettkampfanlage ansehen, das Material überprüfen, und insbesondere die Abläufe für den Mixed-Wettbewerb abstimmen. Ich bin sehr gespannt und freue mich auf die kommenden Tage.
Dienstag, 01.07.2014 – Freies Training
Nach einem anständigen Frühstück im Hotel haben wir uns gegen 09:45 Uhr auf den Weg zur Wettkampfstätte gemacht. Mit der vom Ausrichter angegebenen Adresse konnte das Navigationssystem unseres Mietwagens allerdings nichts anfangen. Unsere Annahme, den „City Park“, in dem die Wettkämpfe ausgetragen werden, auch so einfach finden zu können, erwies sich dann leider als sehr optimistisch – auf Grund komplett fehlender Ausschilderung und der sehr eigenwillig ausgelegten Infrastruktur von Legnica haben wir fast 45 Minuten zur letztlich nur 1.4km vom Hotel entfernten Wettkampfstätte benötigt. Angesichts des großzügigen Trainingsangebots des Veranstalters (10:00 Uhr – 18:00 Uhr) war diese ungeplante Verzögerung aber gut zu verkraften.
Die Wettkampfanlage besteht aus einem im Fußball-Stadion von Legnica errichteten Wettkampffeld und einem nebenan gelegenen Trainingsplatz – letzterer war heute für das freie Training geöffnet. Das Team nutzte den Tag ausgiebig, um sich mit den Umweltbedingungen (Licht, Wind, …) und den örtlichen Begebenheiten (Toiletten, Verpflegung, …) vertraut zu machen, die Schießtechnik zu stabilisieren, und die Abläufe für den Mixed-Team-Wettbewerb abzustimmen.
Das Mittagessen wurde in einer Art Kantine ein paar 100m abseits der Wettkampfanlage ausgegeben. Auch hier stellt die Qualität und Ausgewogenheit der Verpflegung eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Angebot während der letzten WUC Archery vor zwei Jahren dar.
Am frühen Nachmittag erschien dann mit Marcus LAUBE überraschend ein aktiver Bundeskader-Schütze auf dem Trainingsplatz, der unser Training in der Folge beobachtete.
Für die Rückfahrt ins Hotel haben wir diesmal nur knapp 5 Minuten benötigt 🙂
Es gibt immer noch keine Startliste, da der Akkreditierungsprozess laut Veranstalter erst im Laufe des Mittwochs abgeschlossen sein wird. Das bedeutet u.a. auch, dass sich die Schützen morgen beim offiziellen Training wie sonst eigentlich üblich nicht auf ihren Wettkampfscheiben einschießen können. Das Team hat es sehr entspannt zur Kenntnis genommen…
Auch ein paar technische Details zum Ablauf der Veranstaltung sind noch offen, werden sich aber hoffentlich morgen im Rahmen des „technical meeting“ der Trainer klären lassen.
Mit einem gemeinsamen Abendessen und einer kurzen Vorbesprechung des für morgen anstehenden Programms mit dem offiziellen Training und der Eröffnungsfeier haben wir den Abend relativ früh gegen 20:30 Uhr ausklingen lassen.
Mittwoch, 02.07.2014 – Offizielles Training / Eröffnungsfeier
Wider Erwarten hingen heute Morgen doch Startlisten am schwarzen Brett in der Hotel-Lobby aus. Über Nacht wurden darüber hinaus auch Ablagefächer für jede teilnehmende Nation eingerichtet, über die im weiteren Turnierverlauf aktuelle Informationen verteilt werden sollen.
Da der Zeitplan des Veranstalters getrennte offizielle Trainingszeiten für Compound Damen (Vormittags) und Compound Herren (Nachmittags) vorsah, bin ich gegen 07:30 Uhr zunächst alleine mit Velia ins Stadion gefahren – Martin konnte ausschlafen. Das Wettkampffeld ist vom örtlichen Ausrichter gut vorbereitet worden, es gibt ausreichend Sitz- und Sonnenschutzgelegenheiten für Aktive und Trainer und die Toiletten sind in unmittelbarer Nähe. Darüber hinaus wird unbegrenzt und kostenfrei Wasser zur Verfügung gestellt. Entsprechend reibungslos verlief dann auch die Vormittags-Session.
Gegen 11:30 Uhr traf Martin wie am Tag zuvor besprochen zu Fuß auf dem Wettkampfplatz ein, der Weg vom Hotel war wie vermutet bequem in 15 Minuten zu bewältigen gewesen.
Parallel zum Beginn der Nachmittags-Session hatte der Veranstalter das „Technical Meeting“ mit Anwesenheitspflicht aller Trainer angesetzt, so dass ich den Beginn von Martins offiziellem Training nicht mitbekommen konnte – dankenswerter Weise hat dann Velia, die nach ihrem eigenen Training auf dem Wettkampffeld geblieben war, Martin während meiner Abwesenheit betreut.
Die Trainer-Besprechung wurde durch den „Technical Delegate“ der FISU, Mr. Juan Carlos Holgado, sehr professionell geleitet, insbesondere konnten alle für mich noch offenen technischen Fragen geklärt werden. Auf Vorschlag der Turnierleitung und bestätigt durch alle anwesenden Trainer wurde ich mit zwei weiteren Trainer-Kollegen in das „Technical Committee“ der Veranstaltung berufen; meine Rolle in diesem Zusammenhang ist mir noch nicht ganz klar, wird sich aber hoffentlich bald herausstellen (man hat mir gesagt, man kommt auf mich zu…).
Die äußeren Bedingungen für das offizielle Training von Velia und Martin waren ähnlich wie am Vortag: Wetter heiter bis wolkig, 25-28°C, bei leichtem Wind, der sich im Stadion aber weit weniger auswirkte als noch am Dienstag auf dem Trainingsplatz. Auch Marcus LAUBE war das gesamte Training über wieder vor Ort. Beide Schützen haben sich meiner Einschätzung nach gut auf die örtlichen Gegebenheiten eingestellt und auch eine gute Trainingsleistung gezeigt – insbesondere Martin hat einen starken Eindruck hinterlassen – wenn beide das morgen auch so im Wettkampf umsetzen können wird es ein guter Tag!
Im unmittelbaren Anschluss an die Nachmittags-Session stand dann noch die Eröffnungsfeier auf dem Programm. Dazu versammelten sich zunächst alle Teilnehmer auf dem Parkplatz vor dem Hotel, um von dort aus gemeinsam in einer langen Prozession, begleitet von verschiedenen Folklore-Gruppen, durch die Innenstadt von Legnica bis zum Rathausplatz (?) zu laufen. Dort hatte der Veranstalter eine große Bühne errichtet, auf der verschiedene Funktionsträger Ihre Begrüßungs-Reden hielten und die WUC Archery 2014 letztendlich offiziell eröffneten. Aus meiner Sicht war es eine durchaus gelungene Eröffnungsfeier, die in der Bevölkerung großes Aufsehen erregt hat (auch hier ein großer Fortschritt zu Cordoba 2012) – das lange sehr langsame Gehen, bzw. Stehen über fast zwei Stunden, zumeist in der prallen Sonne, war für alle Aktiven und Trainer allerdings ziemlich anstrengend.
Nach einem frühen Abendessen, einem kurzen Spaziergang durch die Altstadt (kulturell kann Legnica leider nicht mit Cordoba mithalten) und der obligatorischen Vorbesprechung des für morgen anstehenden Programms mit der Qualifikationsrunde und dem Mixed-Team-Wettbewerb haben wir den Tag gegen 20:30 Uhr erneut sehr zeitig beendet.
Morgen geht es endlich los!
Donnerstag, 03.07.2014 – Qualifikation / Mixed-Team-Wettbewerb
Erneut sah der Zeitplan des Veranstalters getrennte Sessions für die Qualifikations-Runden der Compound Damen (Vormittags) und der Compound Herren (Nachmittags) vor, gegen 07:15 Uhr bin ich daher wieder alleine mit Velia auf den Wettkampfplatz gefahren – Martin konnte nochmals ausschlafen.
Um 08:00 Uhr begann für Velia das offizielle warm-up und eine halbe Stunde später der Wettkampf. Obwohl die Rahmenbedingungen (Wetter, Licht, Umgebung, Beobachtung) nahezu identisch zum Vortag waren viel es ihr von Beginn an schwer, ihren gewohnten Schießablauf zu finden. Mit für sie eher mageren 326 Ringen belegte sie zur Halbzeit nach den ersten 36 Pfeilen im 37-köpfigen Teilnehmerfeld Platz 20. In der zweiten Hälfte fand sie dann etwas besser zu ihrem Rhythmus und konnte sich mit 333 Ringen auf insgesamt 659 Ringe und damit Platz 18 steigern.
Unmittelbar im Anschluss um 12:45 Uhr begann das gleiche Programm für Martin. Das warm-up verlief wie auch das Training am Vortag sehr vielversprechend, allerdings konnte er diese Leistung leider nicht nahtlos in den Wettkampf übertragen: Mit mäßigen 336 Ringen stand für ihn zur Halbzeit zunächst Rang 26 bei 44 Teilnehmern zu Buche, von dem er sich dank eines starken Schluss-Spurts in der zweiten Hälfte mit 342 Ringen auf insgesamt ordentliche 678 Ringe gleichbedeutend mit Platz 23 verbessern konnte.
Der Mixed-Team-Wettbewerb am späten Nachmittag bildete den Abschluss des ersten Wettkampftages. Anhand der Qualifikations-Ergebnisse wurde durch Aufsummieren der Resultate des besten Herren und der besten Damen jeder teilnehmenden Nation innerhalb einer Disziplin eine Rangliste erstellt, die dann zur Ansetzung der 1/8-Final-Begegnungen herangezogen wurde. Martin und Velia (automatisch der beste Herr und die beste Dame der deutschen Starter J) mussten als Elfte der Qualifikation gegen Platz 6, die USA, antreten – nach ausgeglichenem Beginn (2-2) ging das Match in den weiteren Sätzen (1-3, 0-3, 3-2) am Ende relativ deutlich mit 6-10 gegen die favorisierten US-Amerikaner verloren. In der Endergebnisliste bedeutete dies Platz 9.
Gegen 18:30 Uhr waren wir wieder zurück im Hotel.
Morgen stehen die Einzel-Entscheidungen im KO-System auf dem Programm: Martin bestreitet sein Auftaktmatch im 1/32-Finale gegen einen jungen Polen, Velia hat in dieser Runde ein Freilos und trifft im 1/16-Finale auf eine Belgierin. Ich werde versuchen, die Stimmung hochzuhalten und hoffe, dass beide Schützen diesmal schneller in den Wettkampf finden, da die relativ kurze Distanz der einzelnen Matches keine “Aufwärmzeit“ zulässt…
Freitag, 04.07.2014 – Einzelfinale
Ausnahmsweise konnten wir heute alle drei etwas länger schlafen: Da auf dem Wettkampffeld maximal 34 Scheiben gestellt werden konnten, in jeder der Disziplinen Recurve (m/w) und Compound (m/w) aber ein 1/32-Finale angesetzt war, mussten die ersten beiden Runden für Recurve und Compound nacheinander ausgetragen werden – und die Recurve-Schützen waren zuerst an der Reihe 🙂 So fuhren wir gegen 09:30 Uhr ins Stadion und nutzten nochmals das Trainingsfeld für ein ausgiebiges warm-up, um uns in aller Ruhe auf den Wettkampf einzustimmen.
Um 10:45 Uhr begann dann das 1/32-Finale im Compound-Bereich bei jetzt schon mehr als 30°C (der Freitag war deutlich der heißeste Tag der ganzen Woche):
Martins erster Gegner, Jakub HUBENY aus Polen, war in der Qualifikation hinter Martin auf Rang 42 platziert, und hatte auch in der ersten Final-Runde nicht den Hauch einer Chance gegen den jungen Deutschen: Mit starken 144:122 Ringen entschied Martin sein Auftaktmatch klar für sich. Velia hatte im 1/32-Finale ein Freilos.
Im 1/16-Finale mussten dann beide deutschen Schützen parallel antreten: während auf Martin mit Mikhail FILATOV aus Russland, in der Qualifikation unter den Top 10 und damit deutlich besser als Martin platziert, ein richtig „dickerer Brocken“ wartete, bekam es Velia mit der international sehr erfahrenen Sarah PRIEELS aus Belgien, in der Qualifikation allerdings nur knapp vor Velia platziert, zu tun. Da beide Begegnungen auf weit voneinander entfernten Scheiben ausgetragen wurden, war es für mich nicht möglich, beide Schützen gleichzeitig zu betreuen. Nach Rücksprache mit beiden Athleten verzichtete Velia zu Gunsten von Martin auf die direkte Unterstützung.
Zwischen Martin und seinem Kontrahenten entwickelte sich eine extrem spannende Begegnung auf hohem Niveau, die Führung wechselte mehrfach hin und her, was den Russen offensichtlich zunehmend nervöser werden lies – Martin hingegen behielt seine Nerven gut im Griff und setzte sich letztlich hauchdünn mit 143:142 durch – ein toller Erfolg! Velia begann Ihr Auftaktmatch ebenfalls stark und führte nach den ersten drei Sätzen sogar gegen die Belgierin – ein schlechter Schuss unter Zeitnot im vierten Durchgang warf sie dann aber leider fast uneinholbar zurück und die Begegnung ging schließlich mit 140:143 verloren.
Nach einer 1-1/2-stündigen Mittagspause standen die 1/8-Final-Begegnungen auf dem Programm, die nun parallel in allen Disziplinen ausgetragen wurden. Martins Match gegen Evren CAGIRAN aus der Türkei versprach erneut Hochspannung, da beide Schützen in der Qualifikation ähnlich hohe Ergebnisse erzielt hatten. Der junge Türke wuchs in dieser Begegnung jedoch über sich hinaus, erzielte in allen 5 Durchgängen jeweils 29 von 30 möglichen Ringen und war damit an diesem Tag eine Nummer zu groß für Martin, der zwar mutig kämpfte, schließlich aber mit 141:145 aus dem Wettbewerb ausscheiden musste. Dennoch ist sein 9. Platz bei seinem ersten internationalen Einsatz im Erwachsenenbereich ein großer Erfolg für Martin: Seine Qualifikationsplatzierung hat er durch eine couragierte Leistung im Finale deutlich verbessern können.
Damit waren die Wettkämpfe für uns beendet und wir entschieden gemeinsam, nach einer kalten Dusche im Hotel direkt den Heimweg anzutreten (eine Abschlussbesprechung, gemeinsam und einzeln, haben wir auf der Rückreise abgehalten). Gegen 16:00 Uhr sind wir dann in Legnica aufgebrochen, Martin wurde gegen 21:00 Uhr in Pegnitz abgesetzt, Velia gegen 00:00 Uhr in Karlsruhe, und ich war gegen 01:30 Uhr zu Hause.
Eine anstrengende, leider nicht ganz so erfolgreich wie erhofft, aber dafür erlebnis- und lehrreiche Woche liegt hinter uns 🙂 …
Vielen Dank für den interessanten Bericht. Ich habe die Wettkämpfe am Scoreboard verfolgt, und es ist sehr interessant, die persönlichen Eindrücke dazu zu bekommen.