Parallel zum WeltCup in Antalya fand vom 27.05.- 29.05. ein Preisgeldturnier der Extraklasse – der III. Conquest Cup – in Istanbul statt. Der Wettkampf wurde ausgetragen in den Klassen RM, RW, CM, CW und jeweils in den Klassen Mixed-Team Recurve und Compound. Zusätzlich – und das war neben dem hohen Preisgeld die zweite Attraktion diese Turniers – waren Herren, Damen und Kinder in der Kategorie „traditionelles Schießen“ eingeladen. Eingeladen? Ja! Denn es war ein „Einladungsturnier“. Das heißt, daß der Veranstalter alle Teilnehmenden Sportler finanziert.
Flug, Transfer, Unterbringung und Verpflegung wurden vom Veranstalter übernommen und zusätzlich konnte man noch das Preisgeld gewinnen. Ausgeschrieben waren jeweils 1000$ für den 3. Platz, 2000$ für den 2. Platz und 4000$ für den 1. Platz (!) in den jeweiligen Klassen der WA. Die Treppchenplätze in der traditionellen Kategorie waren ebenfalls in dieser Höhe dotiert. Das Preisgeld für die Kinder lag niedriger und war 1000$, 500$ und 250$ dotiert.
Es gab also für die Weltspitze und viele türkische Schützen viel Geld zu vedienen 🙂
Nun kann man sich Fragen, warum ein solches Turnier in der Türkei zeitgleich mit dem WeltCup in Antalya stattfindet, an dem die internationalen Spitzenschützen teilnehmen. Die Antwort ist folgende: Dieses Turnier wird nun schon zum dritten Mal ausgerichtet und wird immer so sattfinden, daß der Finaltag der 29.05. sein wird. Denn es ist ein Turnier zur Feier der Eroberung Konstantinopels durch Fatih Sultan Mehmet II. am 29.05.1453.
Der Ursprung
Nach der Eroberung wurden damals an dem Ort des Turniers (eine Anhöhe mit einem damals herrlichen Blick auf das goldene Horn) die Bogenschützen des Sultans ausgebildet und Wettkämpfe ausgeführt.
2013 wurde ein Verein gegründet, der die damalige Beudeutung diesen Ortes wiederaufleben lassen soll. Es handelt sich dabei um eine staatlich geförderte Einrichtung (Stiftung), die die osmanischen Kulturen und Aktivitäten – und dazu zählt hauptsächich neben vielen Dingen wie Kalligraphieschrift und osmanische Sprache – das Bogenschießen! – unterstützen und fördern soll. Jedes Jahr wird ein internationales Turnier im Bogensport ausgerichtet – in Anlehnung an die Historie diesen Ortes.
Die Bogensportanlage ist mitten im Viertel Okmeydani, was übersetzt ‚Platz des Pfeils‘ heisst. Der Platz war vor 2013 ein Fussballfeld und wurde umgebaut und mit Gebäuden erweitert. Outdoor können 32 Scheiben aufgestellt werden und Indoor (unter dem Platz(!)) gibt es Möglichkeiten, die kaum zu fassen sind. Es gibt eine Kantine, Umkleideräume, Fitness- und Massageräume und ein Schießhalle, die so lang ist, dass man zu beiden Seiten jeweils 18 Meter schießen kann.
3 weitere Schießhallen werden unter dem Platz noch ausgebaut. Eine Tiefgarage gibt es auch. Alles was man zum Bogenschießen bis 70m braucht und das mitten in der Stadt!
Das Turnier
Dieses Jahr gab es terminlich eine Überschneidung mit dem des WeltCups in Antalya, sodass die Weltspitze des Bogensports nicht anwesend sein konnte.
So entsandten die Verbände jeweils Schützen aus dem Kader, die nicht am WeltCup teilnahmen, oder aber ihre „B-Auswahl“ – zumindest wurde so unter den Teilnehmern aus aller Welt rumgewitzelt. „…endlich eine Chance für die B-Auswahl…“ 🙂 . Der DSB entsandte in den Klassen Recurve Isabell Viehmeier und Carlo Schmitz und Sabine Sauter und Paul Titscher in den Klassen Compound. Begleitet wurden sie durch den Bundestrainer Victor Bachmann.
Wir hatten das Glück, durch die Kontakte von Cicek zu den Trainern dieser Bogensportstiftung, privat eingeladen zu werden. Cicek durfte noch jemanden mitnehmen, da noch Startplätze frei waren. Sie hat sich dafür entschieden Sebastian Hamdorf mitzunehmen. Einen der besten Schützen in Deutschland außerhalb des aktuellen Kaders. Die Einladung kam und die Zusage musste innerhalb eines sehr schmal bemessenen Zeitfensters erfolgen. Sebastian hatte zum Glück in der Woche Zeit und reiste mit seiner Frau Judith zum Turnier an.
Ankunft in Istanbul am 26.05. abends. Kaum im Hotel angekommen, sind wir auch schon wieder los, um ein wenig diese interessante Stadt zu erkunden.
Der Wettkampf geht los
Auf dem ursprünglichen Programm stand für den 27.05. die Akkreditierung und das offizielle Einschießen an. Das wurde kurzerhand gestrichen und es ging gleich am ersten Tag mit dem Wettkampf los. Die ‚modernen‘ Disziplinen sollten erst nachmittags starten.
Als wir mittags auf dem Platz ankamen, fühlten wir uns um Jahrhunderte in die Vergangenheit versetzt. Da stand Dschingis Khan an der Schießlinie und ließ seine Pfeile fliegen (!) und tauschte sich mit seinem Nachbarn aus der Mongolei darüber aus, wie er seinen Bogen angefertigt hat, wie synchron der Bogen ist und wie die Pfeile befiedert sind. Hier und da erblickten wir schöne Amazonen in ihrem augenschmeichelnden Gewändern und ihrem Bogen in der Hand.
Zwischen den Passen wurde wild gestikuliert, denn kaum einer verstand die Sprache des anderen, und es wurden Gewänder und Kopfbedeckungen ausgetauscht und anprobiert.
Gegenseitig wurden Bögen inspiziert, ausgezogen und mit Eindruck und Ausdruck des Respekts dem Besitzer wieder ausgehändigt. Es herrschte eine äußerst angenehme Atmosphäre und das Wetter war dazu sehr angenehm.
Nachmittags ging es dann bei angenehmen Temperaturen los und wir modernen Schützen durften unsere Pfeile fliegen lassen. Sebastian erreichte mit 700 Ringen Platz 3 und Paul mit 696 Platz auf Platz 5 bei den Herren.
Cicek erreichte mit 667 Ringen Platz 7 und Sabine erreichte mit 695 Ringen Platz 2 bei den Damen. Es sollte sich an den nächsten zwei Tagen als sehr angenehmer Vorteil erweisen mal nicht Platz 1 sondern ’nur‘ Platz 2 in der Vorrunde erreicht zu haben.
Abends wurde wieder die Stadt erkundet.
Am nächsten Morgen ging es um 8 Uhr los zum Platz. Die Finals standen auf dem Plan. Wettertechnisch sah es nicht so gut aus. Es war für die Jahreszeit ungewöhnlich kühl und vor allem sehr, sehr windig.
Erst waren die Jungs dran und dann die Mädels. Die Jungs waren so günstig platziert, dass sie sich erst im Goldfinale begegnen würden.
Für Cicek und Sabine konnte es zu einer Begegnung bereits im 1/4-Finale kommen. Aber dazu kam es nicht…
Im 1/16. schlugen sich Sebastian und Paul gut durch.
Und dann war er da: Der angenehme Vorteil von einer Zweitplatzierten auf diesem Platz. Sabine hatte der Startplatz ganz rechts auf der Schießbahn, direkt vor dem Zelt der Kampfrichter, so dass sie sich schon fast wundern konnte, von welchen Wind wir denn immerzu sprachen. Mit 145 Ringen hatte sie einen sehr guten Auftakt und ließ ihrer Gegnerin kaum eine Chance.
Die Gegnerin von Cicek tauchte gar nicht erst auf, so dass sie entspannt versuchen konnte sich mit dem Wind anzufreunden. Was leider nicht geholfen hat. Im 1/8. kam dann das Aus für Cicek im Stechen mit einer 9 zu einem X.
Auch für Paul fanden die Einzelfinals im 1/8. ein Ende. Er hatte leider mit 136 Ringen und dem Wind im Nacken (ähm…nee… der Wind kam ja vorwiegend frontal und/oder aus allen übrigen Richtungen gleichzeitig) nicht das zeigen können, was er eigentlich kann. Von 16 Herren hatten nur drei Schützen 140 und mehr Ringe geschossen.
Die 1/4-Finals waren für den nächsten Tag geplant.
Nach dem Mittagessen ging es weiter mit den Mixed-Wettkämpfen bis zum Goldfinale.
Da die Mixed-Teams in diesem Fall von den internationalen ‚Verbands-Schützen‘ als Nationalteam ausgetragen wurden, waren Paul und Sabine als Team aufgestellt.
Cicek und Sebastian konnten am Turnier nur als Einzelschützen teilnehmen. Zwischenzeitlich gab es das Gerücht, dass die Teams gemixt aus den ersten 16 jeder Disziplin gebildet werden, also 1. Compound Herren mit 16. Compound Damen und über die Nationen übergreifend. Das wäre mal ein sehr interessantes Erlebnis geworden.
Aber es handelte sich um ein Gerücht und es ging weiter im Programm.
Sabine und Paul legten los und waren einfach nur gut drauf.
Bei den Windverhältnissen an diesem Tag stellten sie sogar mit sagenhaften 159 Ringen im Halbfinale eine neue nationale und europäische Bestmarke auf und stellt den Weltrekord ein. Diese Rekorde müssen allerdings noch offiziell bestätigt werden. Man muss an dieser Stelle noch anmerken, dass einen Tag zuvor bereits Kristina H. und Marcus L. auf dem WeltCup in Antalya mit 157 die deutsche Bestmarke übertroffen hatten, der nun aber schon wieder überholt wurde. Aber weiter in den Finals. Im Goldfinale gegen die USA lagen Sabine und Paul mit 80 Ringen nach 2 Passen vorne und holten sich mit 156 zu 153 den verdienten Sieg! Ganz große Klasse!!
Parallel kämpften sich Isabell und Carlo ins Goldfinale und sicherten sich den 1. Platz im Stechen mit der besseren 10! Herzlichen Glückwunsch!!
Abends wurden wieder die Straßen und Gassen von Istanbul unsicher gemacht…
Am nächsten Morgen ging es weiter. Der Wind ließ leider nicht nach und war tatsächlich noch böiger geworden.
Sabine konnte im 1/4 Finale ihren kuscheligen Startplatz behalten, musste dann aber mit dem Sieg weiter in die Mitte rücken, was aber zu keinem Abbruch ihres Siegeswillen geführt hat. Denn sie kämpfte sich – locker und mit guten Ergebnissen – ins Goldfinale! 🙂
Sebastian hatte etwas mehr mit dem Wind zu kämpfen. Sein Gegner aus den Niederlanden hatte seit den Berlin Open noch eine Rechnung mit ihm offen und es schien als sollte er seine Revenge kruegen. Sebastian lag mit 4 Ringen zurück, als sich sein Gegner eine 6 erlaubte. Gleichstand! Alles wieder offen…Es ging ins Stechen. Sebastian sicherte sich mit der besseren 10 den Einzug ins Halbfinale.
Dort musste er sich leider seinem türkischen Gegner geschlagen geben und zog ins Bronzefinale ein.
Die Medaillenfinals wurden alternierend geschossen. Das war Pämiere für Sebastian.
Der Veranstalter hat sich zudem noch überlegt, dass die Finals der traditionellen Schützen parallel dazu auf der rechten Seite des Feldes durchgeführt werden. Diese schossen aber 3 Pfeile in 60 Sekunden und schon gar nicht alternierend. So kam es wie es kommen musste. Es gab ein bisschen Unruhe auf dem Feld. Es wurden dauern Durchsagn gemacht, die den Wetkampfablauf doch ein wenig gestört haben. Es wurden Signale fehlerhaft gegeben und es gab immer wieder Unterbrechungen und Verzögerungen wegen technischer Störungen.
Manchmal lief sogar jemand vom Fernsehen quer durch den Schießbereich. Zwar hinter der Linie, aber in die Box der schießenden Schützen. Häääh?? Hat das jemand schon mal erlebt?
Der türkische Fernsehsender TRT hat 3 Stunden live von der Veranstaltung berichtet. Es war der Bürgermeister Istanbuls, der Bürgermeister des Viertels und der Sohn des Staatspräsidenten anwesend. Security ohne Ende und ein mediales Aufgebot wurde aufgefahren, was kaum eine Bogensportveranstaltung gesehen hat. Ob das noch was mit der Veranstaltung an sich zu tun hatte…?
Trotz dieser ganzen Aufregung und Anspannung holten Sabine Gold und Carlo Silber und Sebastian belegte leider nur den undankbaren 4. Platz.
Insgesamt eine tolle Bilanz für die deutschen Schützen: 3 mal Gold und 1 mal Silber und insgesamt 14000$ reicher 🙂 und ein 4. Platz mit viiiiel Erfahrung und eine glückliche Cicek, die endlich mal Zeit hatte an diesem Turnier teilzunehmen. 🙂
Insgesamt war es eine tolle Zeit in Istanbul. Wir haben neben dem Sport viel von der Stadt gesehen und viel Spaß gehabt 🙂
Einen schönen Abschluss fand unsere Reise mit einer herrlichen Dämmerungstour auf dem Bosporus.
Hier ein paar Impressionen:
Sehr cool! Danke für den Bericht und Glückwunsch zu den tollen Leistungen!